Fjordrally 2004
Motorradreise Januar 2004 zur 1. Fjordrally
Stabkirche Borgund / Norwegen (Nähe E16)
1. Fjordrally 2004
Hier ein kleiner Bericht zur allerersten Fjordrally, welche wir 2004 unternahmen.
Auf der letzten Reise nach Norwegen im Januar 2003 beschlossen wir (Popi und ich) mal ein Treffen nur für die Solofahrer anzugehen. Warum? Nach jahrelangen Reisen mit dem Gespann wollten wir die doch etwas schwierigere Reiseform mit dem Solokrad etwas herausstellen. Wir fanden, dass die Solofahrten eine etwas andere Herausforderung für Fahrer und Maschine waren. Außerdem kannten wir die Zielgegend unserer Reisen mittlerweile ziemlich genau und wollten etwas Abwechslung. Was lag also näher, als ein neues anderes Treffen ins Leben zu rufen. Dabei bestand natürlich nicht der Anspruch sich abzukapseln oder etwas Besonderes zu gestalten – das überlassen wir dann doch den weltreisenden Alleinfahrern 😉 – sondern einfach mal ein anderes Abenteuer in der verschneiten nordischen Gegend zu erleben.
Nach unzähligen Tagen der Vorbereitung und einigen persönlichen Treffen mit teils schmerzlichen Erfahrungen 😉 war die 1. Fjordrally geboren. Wir wollten kein großes Treffen. Aus diesem Grund suchten wir eine Unterkunft, welche einen engen Rahmen steckte. In Sandecamping wurde Popi (Christian) im letzten Winter fündig. Wenn wir alle Reserven des Campingplatzes ausnützen würden, hätten 24 Teilnehmer eine trockene Bleibe inkl. Bett. Aber ein neues Treffen fängt immer klein an. Unsere Homepage, ein paar Zettel und die Hinweise in den kostenlosen Anzeigenblättern brachten uns dann auf 10 Teilnehmer. Zwei davon mussten leider vorab absagen. Also starteten wir das erste Treffen mit 8 Leuten.
Unsere Fahrt startete in Kiel. Die Fährverbindung Kiel-Oslo ist ja für viele Treffen in Norwegen der Ausgangspunkt und schon so etwas wie eine Institution. Klar, die nassen und nicht sehr schönen Straßen durch Dänemark und entlang der schwedischen Küste werden rechts und links liegengelassen. Der Preis bleibt der Selbe, denn Sprit und Übernachtung schlagen ja auch zu Buche bei einer Fahrt per Achse. Und wer will schon das Salz zweier dreier Nationen bis nach Norwegen schleppen? Matzmann und Bernd sind mit ihren Maschinen, einer 97er Adventure und einer Suzuki bereits in der Weihnachtszeit losgefahren. Sie wollten mehr von Norwegen erleben. Ich glaube, Matzmann ist schon süchtig von dem winterlichen Norge. Man sollte also immer vorsichtig sein 😉 Vor der Fähre trafen sich die restlichen Teilnehmer bei schönstem sonnigen Winterwetter.
Die Fährfahrt war erwartungsgemäß lustig oder auch feuchtfröhlich genannt. In Oslo begrüßte uns ein halbwegs angenehmes Wetter. Diesmal kein Eisregen oder frühlingshaftes Tauwetter. Nach kurzem Schnack auf dem Fährparkplatz trennten sich unsere Wege. Unsere beiden Mannheimer nahmen die E6 um unterwegs an Spikes zu kommen. Wir nahmen zu viert die “Querfeldeinroute” über zahlreiche Pässe und durch die verschneiten Täler und Hochebenen. Wir durften uns beeilen, denn die erste Strecke war nicht ohne. Bis zu unserem Tagesziel waren es weit über 200 km und es war ja schon Mittag. Also warm angezogen und die Spikes Funken schlagen lassen. Die ersten 150 km lodderten wir noch auf Asphalt umher. Die Spikes wurden zunehmend kleiner. Im Dunkeln war es dafür an den Radaufstandsflächen wenigstens erträglich hell. Leider nur für den Hintermann interessant.
Unser Tagesziel Hemsedal näherte sich aufgrund der doch recht zügigen Fahrweise auf Asphalt relativ schnell. Wir kamen noch vor dem letzten Dunkeltuten an und bekamen zum Dank eine schöne große und gemütliche Hütte. Drei Schlafzimmer fanden wir zwar dann doch etwas übetrieben, aber bei Schnarchattaken konnte so wenigstens jeder flüchten. In Hemsedal herrschte bereits tiefer Winter. Es war kalt und schneereich zugleich. Die Straßen wurden zur Eispiste und unsere Spikes durften nun endlich ihre ihnen zugedachte Arbeit verrichten. Etwas lädiert freundeten sie sich doch schnell mit dem glatten Untergrund an und bescherten uns etwas bessere Seitenführungskräfte. Die hatten wir auch dringend nötig. Brotzeittechnisch hatten wir die Lage ebenfalls unter Kontrolle. Der Supermarkt nebenan ersetzte die sicherheitshalber mitgebrachten Tütensuppen und die letzten Überlebenden der deutschen Bierdosenzunft segneten das Zeitliche. Der erste Abend war recht kurz. Die ungewohnte Tätigkeit des Mopedfahrens im Winter steckte allen in den Gliedern. Einzelne Muskelgruppen meldeten sich lautstark aus dem tiefen Winterschlaf zurück.
Da wir die Party am ersten Abend nicht übertrieben und eine lange dunkle Nacht durchschliefen, hatten wir am nächsten Morgen um sieben Uhr auch keine Probleme mit dem Aufstehen. Es war zwar mitten in der Nacht, aber wir wollten schon immer mal eine zünftige Nachtfahrt unternehmen. Das es dazu nicht kommen sollte, lag wohl an den etwas tieferen Temperaturen. Unsere weich gewordenen Mopeds verstanden die Welt nicht mehr. Nicht nur Nägel in den Schlappen, nein jetzt auch noch richtig kalt morgens und das alles ohne Garage. Einige waren dann auch entsprechend bockig. Nach einigen Überredungskünsten ließ sich auch das letzte Einhorn äääh Zweirad dazu bewegen die “laut ist out”-Zeit zu beenden und alle anderen Norweger auf dem Campingplatz zünftig zu begrüßen. Ok es war noch nicht hell, aber dafür um so lauter.
Leider habe ich kein Bild meiner “explodierenden” Maschine machen können. Ich dachte ja schließlich, es sei bitterer Ernst. Aber es war nur ein überkochender Kühler, der da einer Zerlegungsarie so ähnlich sah (jedenfalls von weitem). Ich verließ jedenfalls fluchtartig den mir zugewiesenen hartgefrorenen Sitzplatz des letzten Einhorns (beim Abschleppen mit Jeans und T-Shirt), als ich im Augenwinkel die angeblichen Explosionswolken meines Mopeds sah. Hinterher bedankte ich mich bei meinem Moped, denn ich war bei der Abschleppaktion sowieso gerade dem Tode näher als allen anderen Dingen. Ich weiß nur nicht mehr ob vor Angst oder Kälte oder Beidem.
Der Tag erwachte, wir wurden das erste Mal schon wieder müde aber es ging los. Wir hatten uns für heute viel vorgenommen.
Auf nach Fjordnorwegen! Das Abenteuer lockt. So meine Denke. Sie sollte wahr werden. So viel Abenteuer hatte ich garnicht erwartet. Schließlich war dies nicht unsere erste Reise durchs Auenland ääähh Nordland natürlich. Die schlappen minus 17 Grad überzeugten da auch nicht. Obwohl ich dieses Jahr in Ermangelung eines mobilen AKW keine Heizhandschuhe mithatte, erging es meinen Händen erstaunlich gut. Sogar sehr gut! Ja, auch nach so vielen Jahren kann man noch beträchtlich dazulernen. Nach anfänglichen Problemen mit den kalten Fingern erreignete sich Folgendes. Ich fuhr 10 bis 20 km mit kalten Händen. Es wurde immer böser, ich dachte schon ans Anhalten (wer will schon Held spielen), es wurde plötzlich (und unerwartet) meine rechte Hand zusehends warm. Nach weiteren 10 km gings auch links bedeutend besser. Holla dachte ich, jetzt brummt das körpereigene AKW aber.
Nach den positiven Erfahrungen mit meinen Händen (ja sie konnten also auch Heizen – nicht heizen, oder was ihr schon wieder denkt!), war ich also stolz wie Hanne, so ganz ohne Stromkram im Bereich der Füße (Meindl, wasserdicht, irgend son Polarzeugs) und Hände auszukommen. Schließlich habe ich jahrelang auf Strippenzieherei gestanden. Die Stulpen taten natürlich ihr Übriges. Sie waren aus alter DDR-Produktion übernommen (der Schnitt, nicht der Preis) und erfüllten ihren Zweck ganz ordentlich. Für eine Fahrt, danach waren sie leider auch Sondermüll. Aber besser als schwarze Finger. Der einzige Wermutstropfen war das fehlende Windschild meiner Adventure. Ganz schön kalt von vorn. Ein Stück Isomatte, außen befestigt, half.
Wir starteten also durch und kamen flott voran. Die Eispisten hatten uns wieder und das altbekannte Driftgefühl stellt sich wieder ein. Gasgeben im Millimeterbereich und Sonden im Po brachten uns heil über die Bahn. Die Landschaft jedoch war schlicht und ergreifend überwältigend. Ich hatte nun schon viel vom winterlichen Norge gesehen aber dies war eindeutig die Krönung. Die kleinen Nebenstraßen (ok es waren auch schon Hauptverbindungsstraßen, aber nicht die E6) in einer fulminanten Gebirgslandschaft waren einfach herrlich anzusehen.
Das Wetter spielte ebenfalls mit, so dass wir auch alle Einzelheiten der uns umgebenden Bergmassive ins rechte Licht gerückt bekamen. Wir spulten die Kilometer Berg um Berg ab, bezwangen dabei etliche Pässe, Täler und Tunnel. Ja Tunnel waren natürlich immer für eine Überraschung gut. man wusste nie, wie es am anderen Ende aussehen wird – gebirgs- und straßentechnisch gesehen.
In Laerdal angekommen hatten wir unser Tagesziel schon fast eingesackt. Dachten wir jedenfalls. Es sollte natürlich anders kommen. Aber dazu später. Wir erholten uns in Laerdal bei landestypischer Kost (HotDogs) an einer Tanke ordentlich und ließen uns die Sonne auf den Pelz scheinen. Es war schon berauschend, zu viert in einem engen Tal auf spiegelglatter Piste zwischen den Zweitausendern auf Seehöhe hindurchzubollern. In den Tunneln verging einem dann auch Hören und Sehen, wenn alle vier Maschinen mal den Hahn so richtig aufmachten. Ich glaub ein bischen Putz rieselte da schon von den verstaubten Wänden 😉 Die Fähre in Laerdal war natürlich spannend. Die schöne Fjordlandschaft zwischendurch per Boot zu betrachten war ein zusätzlicher Hochgenuss. Es wurde langsam spät, wir mussten uns sputen. Irgend ein Computer hatte was von 220 km berechnet. Die waren hinter dem letzten Tunnel nach der Leardalfähre erreicht. Leider aber nicht unser Etappenziel. Als nächstes kam dann erst einmal ein richtiger Männerpass. Garnicht so einfach mit dem Gepäck und den eisglatten Straßen. Der frische Neuschnee und ein paar Tauaktionen durch die Golfstromnähe machten den letzten Pass dann auch zur Bewährungsprobe.
Irgendwann waren wir aber doch auf der anderen Seite und trotzdem noch nicht da. Das tolle Routingprogramm hatte sich gründlich verrechnet (wenn ich den erwische) und wir hatten noch ein Stündchen Fahrt vor uns. In Loen kam en wir dann auch kurz vor dem Dunkeltuten an und mussten nur noch die einspurige Piste zum Campingplatz absolvieren. Unsere Minischeinwerfer halfen uns aber dennoch den richtigen Weg zu unserem heiß ersehnten Ziel zu finden und auf halben Wege begrüßte uns schon Bernd am Straßenrand. Matz hörte das Bollern der Motoren und kam aus seiner urigen Hütte zu uns heruntergelaufen. Alle waren geschafft und glücklich diese schwere Etappe sturzfrei gemeistert zu haben. Für mich war es eine der schwierigsten Passagen in meiner Norgebefahrung. Unsere Wirtin empfing uns mit herzlich und nach kurzer Hütteneinkehr fanden wir uns alle wieder im Gemeinschaftsraum des Haupthauses. Es war natürlich wie Weihnachten und Ostern auf einen Tag nach dieser beschwerlichen Etappe. Es gab ein Festessen vom Feinsten: Elch auf Hastenichgesehensoße mit Kartoffeln, Gemüse und Tralala. Natürlich mit typisch norwegischem Pudding zum Abschluß. Den Käse und Kaffee brauche ich ja nicht zu erwähnen. Wir haben jedenfalls nicht aufgegessen. Wahrscheinlich kam deshalb auch den übernächsten Tag schlechtes Wetter…
Nach kurzen Disskussionen neigte sich der Tag dann relativ schnell seinem Ende entgegen und ein erholsamer Schlaf wiegte uns in einen noch schöneren nächsten Tag. Ohne Wecker wachten wir in unserem Zimmer auf. Es war noch nicht hell, die ersten Himmelsfetzen waren aber schon durch das Fenster zu sehen. Man konnte im Bett liegen und sah in der Ferne die Spitzen der Gebirgskämme. Etwas Hellblaues schimmerte zwischen zwei Bergrücken hervor. Noch nicht ganz wach (oder doch ein Bier schlecht gestern abend)? Nichts von dem. Der größte Gletscher auf dem europäischen Festland streckte keck seine Zunge in ‘unser’ Tal. Tatsächlich. Nachdem es langsam heller wurde, erkannten wir eine riesige Gletscherzunge, die sich dem See zuneigte. Es war phänomenal!
Doch damit nicht genug. Am Frühstückstisch vor dieser herrlichen Kulisse (Panoramafenster im Haupthaus) kam dann das erste Highlight des Tages zum Vorschein. Ein in vollkommes Pink/Lila getauchtes Himmeletwas über babyblauem Gletscher mit schneebedeckten Gipfeln an einem wildromatisch aufgewühltem See. Alles stiebte in ansteckender Hektik auseinander um die Kameras zu holen. Die warteten natürlich in den Hütten und dazwischen gab es olympiaverdächtige Stunts auf spiegelglatten 45-Grad-Wegen. Aber alle hatten ihre Schutzengel ordnungsgemäß auf den Rücken geschnallt, so dass innerhalb weniger Viertelstunden das Naturereignis zweimillionenfach auf Zelluloid und Silikonchips gebannt werden konnte. Der Tag fing gut an. Die Schutzengel wurden fester geschnallt und nach dem Frühstück ging es ab in die Wildnis!
Das Abenteuer könnt ihr im Heft ‘Winterfahrer’ lesen (das gab es mal bei www.gespanne.de). Dort gibt es viele Tipps und weitere schöne Berichte. Das Heft ist heute nicht mehr erhältlich.
In den nächsten Tagen gab es viel zu sehen, wurden einige spektakuläre Ausfahrten unternommen und natürlich abends zusammen gesessen.
Auf dem Rückweg erwischte uns dann in den Fjorden noch etwas Regenwetter und es wurde richtig glatt. Das Eis der Straße taute an und an vielen Stellen war es spiegelglatt und entsprechend vorsichtig musste man zu Werke gehen.
In Oslo war der Regenzauber aber wieder vorbei und das alte Schneewetter hatte uns wieder.
Die Fährfahrt nach Kiel war wie erwartet feuchtfröhlich. Die KTM SXC 625 hatte wie immer alle Strapazen weggesteckt und sah nun nach dem Salzbad in Oslo nicht mehr ganz so taufrisch aus. Fest angebunden schaukelte auch sie über das wasser gen Deutschland.
Ich wünsche allen zukünftigen Fjordrally-Reisenden eine gute Fahrt!